Es gibt Tiere, die brauchen nur wenige Minuten, um in Deinem Leben einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen. Gaia ist eines dieser Tiere.
Vor fast fünf Jahren, kurz nachdem unsere Stallkatze Heidi leider überfahren wurde, wir eine Nachfolgerin suchten, spazierte Gaia über unseren Hof. Sie ist ein Winzling, mag vielleicht im Normalfall 2,5 KG haben, ein Auge ist trüb und gewiss blind, und sie sah damals schon ziemlich dünn und fragil aus. Wir haben damals gesagt, sie gehört zu uns, weil sie ebenso wie unsere Stute Happy auf einem Auge blind ist - das kann ja kein Zufall sein.
Der Name kam von allein, als ich sie das erste Mal sah. Ich habe zu Hause zur Sicherheit nachgeschlagen. Erdgöttin. Mutter Erde. Ja. Das passt so perfekt zu ihr.
Sie ließ mich keine zwei Meter an sie heran, das angebotene Futter fraß sie knurrend und fauchend. Sie ließ keinen Zweifel daran, dass es Tatzenhiebe setzen würde, wenn ich mich weiter näherte.
Sie fraß, weil sie Hunger hatte. Und trotzdem merkte man, dass es ihr zuwider war, das annehmen zu müssen.
Sie ist sehr stolz und sie hat soviel Würde. Wenn man in ihre Augen blickt, dann fühlt man sich selbst winzig, weil diese Augen alles schon gesehen haben. Sie blickt einem bis in die Seele, und man hat unweigerlich das Gefühl, hier einem sehr alten und weisen Wesen in die Augen zu schauen.
Gaia mochte nicht bei uns einziehen, sie will sich nicht binden. Sie ist autark, sie kommt und geht, wie es ihr beliebt, sie braucht niemanden. Das war ihre unzweifelhafte Botschaft an uns.
Und doch hat sie uns seither immer wieder mal besucht. Sie hat eine sehr prägnante Stimme, die ich selbst im hinteren Teil des Stalles höre, wenn sie auf dem Hof ist und Hallo sagt. Sie kommt nie rein, sie bleibt draußen. Aber wann immer die Not zu groß für die kleine Katzendame wurde, kam sie zu uns. Sie hat nie danach gefragt, aber natürlich immer etwas Futter bekommen. So ca. 4-5 Mal pro Jahr. Sie wurde zwar weniger scheu, fauchte und knurrte nicht mehr so sehr, aber anfassen war niemals möglich.
Nun war sie sehr lange nicht mehr da, ich habe mich schon gefragt, ob sie überhaupt noch lebt.
Heute dann wieder ihr Ruf auf dem Hof. Ich habe sofort zum Trockenfutter gegriffen und bin raus. Und habe mich erschreckt. War sie immer schon sehr dünn und zierlich, so ist sie nun mager, Haut und Knochen.
Sie kam dieses Mal auch freudig zu mir gelaufen, taumelte dabei ein bisschen. Das Trockenfutter nahm sie sofort zu sich, aber ich merkte, dass sie nicht mehr gut kauen kann. Also bot ich ihr auch Nassfutter an, was sie dankbar schnurrend gefressen hat.
Ich blieb in gebührendem Abstand stehen, so wie sie es mich gelehrt hat, hockte mich, machte ein paar Fotos. Sie fraß auf, kam danach zu mir und kuschelte sich an mich. Ich durfte sie streicheln, zum ersten Mal seit fast fünf Jahren!
Dann schleckte sie die Steine ab, auf denen noch Schnee lag. Ok. Also ein Schälchen Milch geholt, das sie hochbegeistert schlabberte.
Sie ist wirklich nur noch Haut und Knochen. Während sie erst im Stehen, später dann im Sitzen trank, sah ich, dass sie zitterte wie Espenlaub. Sie hat eine kleine Wunde unter dem Kinn, nicht entzündet, aber das Fell ist weg, die Haut offen. Ihr Fell ist ansonsten in einem guten Zustand, sie sieht kein bisschen räudig aus, obwohl sie gewiss Flöhe und auch Würmer haben wird.
Sie blieb, bis wir gefahren sind. Sie hat insgesamt eine halbe große Dose Nassfutter und eine volle Hand Trockenfutter gefressen und eine halbe Schale Katzenmilch getrunken.
Ich sorge mich sehr, weil sie so gezittert hat. Ich habe versucht, sie in den warmen Stall zu lotsen, doch das wollte sie nicht. Aber sie hat mich, meinen Mann und die Mauern angeschmust, als gäbe es kein Morgen mehr. Ein so liebevolles Danke von ihr!
Drückt dieser kleinen tapferen Kätzin bitte die Daumen. Ich hoffe nicht, dass ich ihr ihre Henkersmahlzeit serviert habe. Sie ist so ein Winzling, und strahlt doch immer noch soviel Würde, Erhabenheit, Stolz und Wissen aus, dass es einen wirklich sehr berührt.
Ich möchte ausdrücklich erwähnen, dass mich unsere beiden Stallkatzen, Teti und Elsa, heute sehr berührt haben. Sie verteidigen ansonsten ihr Revier, dulden Eindringlinge nicht, knurren, fauchen, prügeln sich.
Sie haben Gaia nur interessiert angesehen, sich rechts und links neben mich gesetzt und ihr beim Futtern zugesehen. Keiner von beiden hat sie angegiftet, sie haben sie gewähren lassen. Sie haben gewusst, dass sie unsere Hilfe braucht, auch wenn sie selbst das vielleicht nicht mag.
Man sieht auf den Fotos gar nicht, wie wenig sie ist. Aber wenn man ihr über den Rücken streichelt, kann man jeden Wirbel einzeln fühlen. Dafür hatte sie hinterher eine kleine Pocke vom vielen Fressen und Trinken.
Ich hoffe, sie kommt wieder, ich hoffe so sehr, dass sie überlebt. Diese kleine Katzendame ist ein ganz besonderes Wesen, das kann man einfach spüren.
Hofft mit mir, drückt bitte Eure Daumen für Gaia!