Mi 23. Apr 2008, 21:02
Ich kam um kurz nach drei zum Stall, und Frau Gaia thronte in ihrem Korb auf der Schubkarre in der Sonne und hob zum Begrüßung das Köpfchen. Das allerdings schon sehr sehr wackelig, aber dennoch - ein Erkennen. Und die stumme Botschaft "Ich habe auf Dich gewartet". Das habe ich den ganzen Mittag schon gespürt und mich beeilt.
Das von mir angebotene Trinken lehnte sie ebenso ab, wie Leberwurst und Babynahrung (Hühnchen). Ich habe mich umgezogen, dicke Latzhose, dicken Anorak, habe mir einen Stuhl geholt, und dann haben wir uns in die Sonne gesetzt. Meine Beine habe ich auf die Schubkarre gelegt, Frau Gaia in Handtücher gewickelt auf meinen Schoß.
Es war so friedlich, es war so innig und so unendlich schön. In Anbetracht der Lage mag das komisch klingen, aber das sind meine Gefühle gewesen. Wir haben uns viel erzählt, wir haben über das Leben und das Sterben philosophiert, über das, was dann kommen mag, wie es da drüben ist. Wir haben zusammen "Gute Nacht Freunde" gesungen und viel gekuschelt. Ich habe mich bedankt, für alles, was sie für uns, speziell für mich getan hat. Sie hat soviel zu geben gehabt, in dieser kurzen Zeit.
Sie hat sich immer wieder noch mit erstaunlich viel Kraft in meine Hand gekuschelt, sobald ich auch nur 3 Sekunden mit dem Kraulen aufgehört habe. Ich soll nicht mehr rauchen, hat sie mir gesagt. Und wir haben uns verabredet für später.
Denn ich habe mich heute gefragt, wer wird einmal bei mir sein, wenn ich sterben muss? Wahrscheinlich wohl niemand. Gaia hat mir versprochen, sie wartet auf mich, sie holt mich ab. Dann ist vielleicht das Sterben einsam, aber die Abholung gesichert.
Dieses kleine Bündel, das vielleicht noch 1,5 KG hat, hat mich sovieles gelehrt. Ich hatte immer große Angst vor dem Sterben, nicht einmal vor dem Tod. Sie hat mir heute gezeigt, dass es ein natürlicher und friedlicher Prozess ist, den man einfach irgendwann gehen muss.
Sie zögert den Zeitpunkt hinaus. Jedes Geräusch wird noch mit Ohrendrehung wahrgenommen und analysiert, alles ist noch so spannend. Zum Sterben hatte sie heute grade keine Zeit.
Ich habe von halb 4 bis viertel vor 9 mit ihr draußen gesessen. Mein Mann kam um halb 6 dazu, auch er wurde noch begrüßt, auch auf seinem Schoß hat sie eine Weile gelegen und sich zum Abschied kraulen lassen.
Wir haben alle Bäume nochmal beschnuppert und verabschiedet, wir haben die Wiesen und Felder nochmal angeschaut. Wir haben den letzten Sonnenuntergang zusammen gesehen und genossen.
Teti und Elsa waren die ganze Zeit in unserer Nähe, haben uns bewacht, haben uns das Gefühl gegeben, sie nehmen Anteil an dem Geschehen. Teti hat zeitweise sogar auf meinen Füßen gesessen.
Ich habe zwischendurch immer wieder gedacht "Jetzt!", ihre Atmung wurde flacher, die Muskeln zuckten. Aber dann wieder ein Geräusch und ... keine Zeit! Jetzt nicht!
Es tut mir in der Seele weh, dass ich nicht sagen kann, sie ist in meinen Armen gestorben.
Wir haben sie nun zur Nacht wieder ins Bad gestellt mit ihrem Körbchen, wieder in Handtücher gemummelt. Ich habe sie seitlich gebettet, auf die rechte Seite, Köpfchen etwas erhöht, wenn die Atemnot kommen wird. Und sie wird kommen. Sie war jetzt sehr müde, und ich denke, sie brauchte nun auch die Ruhe ohne uns, um endlich gehen zu können. Die Kräfte sind einfach ausgegangen.
Mein Mann fährt morgen früh um 7 hin, um nach ihr zu sehen. Sollte sie wirklich noch da sein, werden wir sie wieder rausstellen. Nur über Nacht wollte ich sie nicht schutzlos den Wildtieren überlassen - man weiß ja nie. Sollte sie schon gegangen sein, wird er sie gleich beerdigen. Sollte sie bis morgen Nachmittag noch da sein, werde ich mich auch wieder mit ihr hinsetzen. Auch wenn ich so verspannt bin, von dieser angespannten Haltung, dass ich mich kaum noch bewegen kann.
Ich hatte aber zu keiner Zeit heute das Gefühl, dass ich sie besser einschläfern lassen sollte. Es muss ihre Entscheidung sein, wenn sie Frieden finden will. Es ist schwer, wenn die Kräfte zur Neige gehen, keine Frage, aber sie machte nicht den Eindruck, als würde sie sich quälen. Sie genießt jede Sekunde, die sie noch hat.
Ich wünschte, ich wäre bei ihr. So gern hätte ich ihren letzten Atemzug begleitet, aber das wird mir nicht vergönnt sein.
Es war ein wunderschöner Nachmittag, und ich bin froh und dankbar für diese intensiven Stunden mit ihr.
Danke, Gaia. Für alles, mein Mädchen. So eine kleine Katze, und so ein großer Charakter, so eine unendliche Seele. Danke!
Was immer noch in meinem Lebensplan steht - diese Stunden werde ich auf ewig in Erinnerung behalten.